Okt 13
Tatort: Oberhausen. In Deutschland geboren, der Vater aber Inder. Das gibt Probleme. Davon und von der indischen Geschichte ihres Vaters erzählen die Texte von Dr. Shamali Sen. Zum Beispiel: Sie kommen also aus Oberhausen. Aber eigentlich kommen Sie doch ganz woanders her. Ich bin in Oberhausen geboren. Ja aber ich meine, da wo sie wirklich herkommen. Katharina Quast versteht es, den Witz und Charme dieser Texte und ihre Inhalte noch deutlich zu verstärken. So sehe ich einen Pfarrer im Publikum durchgängig strahlen und lachen. Es ist die Freude an der Spiel-Lust der Schauspielerin Katharina Quast. Es wird aber auch ernst und bedenklich, wenn die Texte von Shamali Sen über die Inquisition nachdenken. Hier sorgt die Sprecherin dafür, dass nun dem Publikum das Lachen ziemlich vergeht. Dann wieder zwitschert sie die Texte wie die Unschuld vom Lande und tut als hätte sie von nichts eine Ahnung. Die hat sie aber sehr wohl, denn sie weiß wie und wo sie die Zuschauer packen kann. Das Handwerk, das hat sie sicherlich im Studium gelernt, das ahnen wir alle. Aber das, was darüber hinausgeht, was uns nun wirklich mitnimmt, begeistert an der Darbietung und Darstellung der Texte, das ist im Handwerkskasten der Schulen nicht enthalten.
Der grosse Johann Wolfgang von Goethe schrieb am Anfang seines Stückes „Das Jahrmarktsfest zu Plunderweilern“ : „Am Stück ist nichts zu retten, allein, viel wird gebessert durch das Spiel.“ Das war nun an diesem Abend überhaupt nicht der Fall. Ohne einen so guten Text lässt sich keine Furore machen. Hier begegnen wir einer literarischen Perle, einer besonderen Praline in der deutschen Literaturlandschaft. Tiefsinn, Nachdenklichkeit gepaart mit so viel Humor, das tut einfach gut. Die anwesende Autorin wurde nach dem Konzert mehrfach aufgefordert, am Ball zu bleiben und der Verhärmung der deutschen Literaturszene entgegenzuwirken. An erster Stelle erwähnen wir hier eine Lektorin aus Mannheim. Bevor wir uns hier mit der Zerhackstückelung des Textes abmühen, werden wir ihn an dieser Stelle komplett veröffentlichen.
Okt 1
Drei Gitarrensoli präsentierte Detlev Bork im Querklang am Berghang. Das längste und beeindruckendste präsentierte er in der Mitte des Konzertes quasi als Höhepunkt.
Wo sind denn jetzt die Lobeshymnen auf Detlev Bork, den Internationalen Gitarrenvirtuosen ? Wir haben schlichtweg vergessen nach den Komponisten der Stücke zu fragen. Also haben wir das nun nachgeholt. Aber da gibt es keine Komponisten zu den Stücken. Da wir alle im Konzert musikalisch viel zu sagen hatten, haben wir auf Kommentare und Erläuterungen verzichtet. Nun erfuhren wir, dass die Bezeichnungen der drei „Palos“ , wie die Flamencos die Formen nennen, nach den sie musizieren, von Detlev selbst stammen: Tarantas, Soleares und Bulerías de Jerez
Michael Schneider, der Cellist dieses Abends, hat selbst im Nebenfach Gitarre studiert. Das hat aber alles nichts genützt, um zu erkennen, was Detlev an diesem Abend auf der Gitarre getrieben hat. Ich habe in Heidelberg schon so genannte Gitarren Virtuosen gehört und bin in der Pause gelangweilt gegangen. Aber in diesem Konzert mit Detlev bin ich genauso hungrig geblieben wie das Publikum und bin wie alle anderen sehr hungrig nach Hause gegangen. Hungrig auf Musik, nach viel mehr Musik von und mit Detlev. Und eine frühere Bemerkung über Detlev Bork trifft immer noch, beziehungsweise jetzt erst recht zu: Musikalisch sowieso, aber besonders menschlich ist er der große Kommunikator im Zusammenspiel. Er ist ein echter „Flamenco“. Er spielt diese Musik, aber auf und an der Gitarre lebt er sie. Er teilt sie – sozusagen mit und mit uns.
Sep 21
Glen Gould war bei einem Zenmeister. Wollte er von ihm das Klavierspielen erlernen? Nein, er konnte es schon ziemlich gut. Der Zenmeister ließ ihn ein Jahr lang einen Ton spielen. Danach wusste Glen Gould, wie man mit einem Ton umgehen kann, muss. Der eine Ton steht dann auch für die vielen anderen? Und wozu soll das gut sein ? Das hat Detlev Bork im September Querklang mit arkestra convolt eindrucksvoll zelebriert. Das letzte Stück des Abends: „Ariadne en su Labyrinto“ von Osvaldo Golijov bot 10 Minuten lang die Gelegenheit die Möglichkeiten und Variationen mit und über den Ton „d“ auszuloten.
Das ist nun Detlev’s leichteste Fingerübung. Hörte sich überhaupt nicht so an, das Ergebnis. Wir versuchen zu sagen: mach das erst mal nach. Da nützt uns auch ein Jahr beim Zen Meister nichts. (Karl Valentin sagt dazu : wenn man es kann ist es ja keine Kunst mehr).
Die Freude am Einfachen brachte dann den echten „Flamenco“ Detlev zum Vorschein. Ein Meer von spanischer Vitalität brandete in den Kirchenraum. Meine Kinder nannten das bei ihren LAN-Partys: so richtig abzocken! Den Satz hat Detlev sich wohl auch von seinen Kindern abgehört und brachte ihn als vitalen musikalischen Gedanken ins gemeinsame Geschehen ein. Und wenn Detlev seine Gitarre so richtig abzockt, dann empfinden wir eine unglaubliche Leichtigkeit und Fröhlichkeit. Jeder der ein Instrument spielt oder auf seine Art ein Meister seines Faches ist, der kennt den langen Weg zu dieser Leichtigkeit.
Ein Roman von David Foster Wallace heißt: unendlicher Spaß! Den hatte auch das Publikum. Wir konnten es an den Gesichtern, den lachenden Gesichtern und vielen sich im Rhythmus der Musik bewegenden Körperteile sehen. Und was passiert, wenn ein Perkussionist wie Francesco Panarese, der schon musikalisch das gesamte Nord Afrika bereist hat, auf Detlev Bork trifft? Was geschieht mit Detlev Bork, wenn er Francesco als Musiker neben sich hat? Was geschieht also, wenn zwei perfekte Rhythmiker ihre Instrumente so richtig abzocken? Dann wird es spannend.
Dann unterhalten sich zwei Könner auf ihre Weise und der Gitarrenkönner betätigt sich nicht nur mit Melodien und Tönen, nein er benutzt sein Instrument auch für perkussive Effekte. Dann wird es zwar rhythmisch und auch laut in der Kirche. Aber eigentlich wird es ganz still, denn diese Spannung lässt sich nur durch fasziniertes Staunen erleben und aushalten. Die Kirche war schon leicht kühl. Das war bei diesen Dialogen jedoch schnell vergessen. War das die spanische Hitze die wir dem Publikum versprochen hatten? Nein, sie kam aus Kiel und Napoli. Da kommen die beiden her. Aber in Spanien wird nicht rund um die Uhr Flamenco getanzt. Das haben arkestra convolt und Detlev Bork auch schon erkannt.
So kam es zu einigen kontemplativen Momenten, kleinen Diamanten der Musik : „Oriental“ von E. Granados erklang als sentimentaler Moment Musical. Eine einfache Melodie in schöner Dreisamkeit von Klarinette, Posaune und Cello, begleitet vom eigenen Melodiefluss aus Detlev’s Gitarre. Ebenso „Luna“ und „Sueltate las Cintas“ von Osvaldo Golijov waren die Suchtmacher dieses Abends. Mal nur mit Klarinette und Gitarre, dann zu harfenartigen Gitarrenarpeggien eine von Golijov’s Sehnsuchtsmelodien nacheinander von den drei Melodie Instrumenten gespielt. Sehnsucht des Abends: bleib noch du schöne Melodie, du bist so schön, verlass mich nicht, lass mich nicht mit mir allein.
Das brauchte niemand. Das Ritual unseres Publikums: nach dem Konzert einfach sitzen bleiben. Gut, dann noch eine Zugabe. Dann bat Christiane Grimm zu Tisch. Musiker und Publikum waren auf einen Imbiss-Umtrunk eingeladen. Falls Sonntag kein Messwein da ist: wir waren es nicht. Auch der Wein dieses Abends wurde gespendet von Christiane Grimm, Jürgen Schulz, Bruni Jaquet und Alex.
Sep 7
Sep 6
Sep 6
Das wirkte sehr intim als Crystal Schuettler um auf neben unter und drumherum um Claus Rosenfelder sich schlängelte und wand. So entstanden Bilder einer wunderbaren ästhetischen Zweierbeziehung. Musik und Bewegung verschmolzen durch die beiden Darsteller zu einer ganz neuen Wohlfühleinheit. Bewundernswert mit welcher Klarheit Claus Rosenfelder seine Saxophon Improvisationen bei dieser massiven Belästigung in aller Ruhe und Konzentration ausführen konnte. Das war der perfekte Griff in die Pralinenschachtel, das Sahnehäubchen einer Darbietung die auf jeder Bühne dieser Welt einen guten Stand hätte. Bilder einer intimen ästhetischen Zweierbeziehung entstehen, perfekt gespielt und dargestellt durch stures ignorieren seitens Claus Rosenfelders und perfekt umschlungen von der ihn umgebenden Tänzerin. Warum wirkt dieses Bild so überaus erfrischend und spannend? Da wird vor unseren Augen etwas verschmolzen, das in der Regel nicht zusammen gehört. Was da passiert ist eigentlich ein Widerspruch in sich und wirkt dadurch so überaus komisch bei gleichzeitig sinnlicher Ästhetik.
Sep 6
Sep 6
Juli Zeh betitelt einen ihrer Romane mit „Spieltrieb„. Da geht es jedoch um Zerstörung. Wir zerstören höchstens Vorstellungen davon, wie ein Konzert in der Kirche zu sein hat.
Crystal Schüttler erzählt Geschichten. Zunächst zerrt Sie die Musiker in die Kirche, die gar nicht gerne in der Kirche spielen wollen.
Nachdem sie die Musiker von arkestra convolt überzeugt hat, dass es doch ganz schön ist in der Kirche gemeinsam mit ihr pantomisch-theatralisches Tanztheater zu spielen, macht sie die Musiker zu Aktivisten der Bewegung. Ungewohnt für Musiker, die Schönheit und Wildheit in den Tönen zu suchen gewohnt sind. Der Unwille ist selbstverständlich gespielt, das wissen alle. Auch das Publikum ist ohne Worte informiert.
Aber jetzt geht es gleich weiter.
Crystal Schüttler sorgt dafür, dass allen „Hören und Sehen“ vergeht.
Plötzlich hängt sie außen an der Empore und vollführt trotzdem unglaubliche Bewegungen. Dann sehen wir sie plötzlich eine Säule emporklettern.
Die vielen nicht planbaren Momente entstehen so im Wechselspiel vonTanz und freier musikalischer Eingebung.
Die drei Kompositionen des Abends von Claus Rosenfelder werden genutzt zu Lichtinstallationen mit und um die Musiker und Bewegungsbelastung eines Saxophonisten durch die Tänzerin. In verdunkelter Kirche vollführt sie zur Musik von „Pygmy Hung“ auf der Kanzel im Lichtkegel eines kleinen Scheinwerfers Schattenspiele, einen Schleiertanz ohne Schleier. Vorher gab es das Bewegungs-EKG für Claus Rosenfelder. Seid umschlungen Millionen……. war der Saxophonist bei seiner Improvisation. Für ihn wie für das Publikum durchaus harter Tobak. Wir alle wollten nicht in seiner Haut stecken. Oder doch?
Nach 60 Minuten intensiver Bewegungskreativität soll der Abend dann auch zu Ende sein. Jetzt hat die Tänzerin das Problem wie sie die Musiker wieder los wird. Da hilft nur schubsen und drängeln und zwar in Richtung Ausgang. Aber die vier Instrumentalisten wollen nicht so richtig, sie kleben in der Gegend des Altares herum und werden wie durch ein unsichtbares Gummiband immer wieder dorthin gezogen. Das bedeutet schweißtreibende Arbeit für Crystal Schüttler. Die Musiker machen es ihr wirklich schwer, sie kommen, kaum aus der Kirche bugsiert von hinten durch die Sakristei wieder herein und improvisieren fröhlich weiter.
Dann ist es doch geschafft.
Fasziniert, begeistert und schwer beeindruckt von den extremen Artistik Momenten und vor allem der ästhetischen Leichtigkeit, schwebt nun das Publikum dem Ausgang zu.
Der homo ludens [ˈhɔmoː ˈluːdeːns] (lat. hŏmō lūdēns ›der spielende Mensch‹) ist ein Erklärungsmodell, wonach der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt (siehe auch homo oeconomicus):[1] Er entdeckt im Spiel seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit. Spielen wird dabei der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken voraus. Das Modell besagt: Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung ( Wikipedia )
Aug 19
Yoerae Kim spielt Geige. Sie spielt verdammt gut Geige. Nicht nur ihre Musik füllt die Bergkirche, sondern auch ihre enorme Bühnenpräsenz.
Der erste Satz „Tempo di ciaccona “ aus der Bartok Solo Sonate für Violine war ein Feuerwerk an Klangfülle und Tonkaskaden. Ein berauschender Wasserfall voller Musik. Wir sehen und hören : Eine Geigerin und eine Geige.
Wir glauben es aber nicht, denn es klingt wie zwei Instrumente. Aber können zwei Geigen so präzise gut zusammen spielen?
Dass sie nur den ersten Satz gespielt hat, das merken wir Zuhörer gar nicht. Dieser erste Satz steht wie ein Monolith im Raum.
Der zweite Höhepunkt dieses Abends waren die Tierkreiszeichen von Karl-Heinz Stockhausen.
Zehn Tage vorher hat die Geigerin die Noten erhalten.
Das ist zu viel, die Melodien sind so wenig eingängig – sagt sie, die gleich Bartok und Enescu mit improvisierter Begleitung spielen wird. Das macht nichts sagen wir, such dir 2,3,4 aus, so viel wie es gerade passt, dann improvisieren wir zu diesen Stücken.
Dann brachte sie doch alle zwölf mit. Jedes Tierkreiszeichen wird zwei bis dreimal gespielt, manchmal auch viermal, denn es handelt sich um sehr kurze markante Melodien zwischen 20 und 30 Sekunden Dauer.
Alle zwölf Melodien spielt sie jede Solo einzeln vorweg. Vier davon mit wechselnden Duo Partnern original und unisono nach den Noten.
Die nächste Vierergruppe wird wieder von wechselnden Duo Partnern improvisierend begleitet.
Die dritte Vierergruppe folgt der Idee des Komponisten.
Ähnlich dem von John Cage entwickelten Musik Circus, bei dem ganz verschiedenartige Musik nebeneinander nach einer Zeit Partitur spielt, ergibt dies durch die Kakophonie und das geplante Durcheinander eine völlig neue Musik.
So hat auch Karl-Heinz Stockhausen als eine Variante diese Idee vorgeschlagen.
Eine Tierkreismelodie beginnt, und nacheinander steigen die anderen Melodie Spieler ein, spielen ihr Stück in ihrem eigenen Tempo ohne sich den anderen anzupassen.
Von Seiten des Publikums wurde diese Musik von langweilig bis äußerst spannend und irritierend kommentiert. Da der Kommentar: „langweilig“ nur von einer Person kam, ignorieren wir dies im weiteren und konzentrieren uns auf die begeisterte Mehrheit.
arkestra convolt hatte zu Beginn des Konzertes vergessen, dem Publikum die geplante Struktur der Tierkreiszeichen zu erläutern. So blieb den Zuhörern nur, sich auf Vermutungen einzulassen und zu spüren, dass die drei Gruppen der Tierkreiszeichen eine gewisse, wenn auch nicht erkennbare Struktur hatten.
Als wir Yoerae zu diesem Abend einluden, da betonte sie, dass sie nicht improvisieren könne. Aber schon beim Stockhausen belehrte sie sich selbst eines besseren. Improvisation besteht auch aus dem Spiel mit den Klangfarben, mit Dynamik, Bogen Geschwindigkeit und Ausdruck. Sehr schnell nahm Yoerae diese Gelegenheit wahr um sich auf diese Weise improvisierend mit arkestra convolt zu mischen.
Uli Kieckbusch war übrigens der zweite Gast dieses Abends der darauf bestanden hatte, dass er mit dabei ist, wenn wir mit Yoerae Kim die Violin Sonate Nummer drei a-moll zelebrieren von Georges Enescu.
Michael Schneider hatte versucht sich anhand der Klavierstimme eine Improvisation ins Gehör zu bringen. Daran scheiterte er jedoch schon beim häuslichen Üben.
Ulli Kieckbusch hatte sich dagegen viele markante Punkte in die Finger gespielt, Satzanfänge und bestimmte Überleitungen auch wenn diese als komplett improvisiert bewertet werden dürfen.
Sehr hilfreich für unsere Geigerin, denn sie war auf einem heftigen Schwimmfest, denn die festen Strukturen einer geschriebenen Klavierstimme die konnte sie an diesem Abend nicht erwarten.
Wir alle von arkestra convolt haben uns fleißig in die. Musik von George Enescu eingehört. Wir und die Zuhörer müssen sich jedoch bewusst sein, dass in diesem Querklang am Berghang Konzert nicht die bekannte Enescu Sonate gespielt wurde, sondern fast im Sinne des Musik Circus von John Cage eine ganz neue Musik unwiederholbar präsentiert wurde.
„Quer“ ging es also an diesem Abend wieder reichlich zu. Das erfreulichste für uns Musiker vom Querklang war die Freude unserer Geigerin, die sie schon bei den Proben am gleichen Nachmittag vor dem Konzert entwickelt hat.
Für eine streng klassisch ausgebildete Geigerin, die zur Zeit als Akademistin beim Bayerischen Rundfunk tätig ist, eine ganz außergewöhnliche Fähigkeit, sich auf diese extremen Umstände, nennen wir es ruhig: Widerstände, sich darauf einzulassen.
Yoerae Kim wird am 20.12.2013 gemeinsam mit Detlev Bork, Gitarre und Michael Schneider, Cello die Sechs Sonaten für Violine und Continuo von fJohannes Paul Westhoff aufführen. Danach muss sich Yoerae Kim vorübergehend von uns verabschieden, da sie sich für Probespsiele für eine feste Stelle im kommenden Jahr bewerben wird.
Jun 22
Jane Zahn im Rotlichtmilieu?
Nein, sie befindet sich im roten Scheinwerferlicht. Wir simulieren Buenos Aires in Argentinien.
Dazu befinden wir uns in der Bergkirche Schlierbach, im Querklang am Berghang. Wie in der Bibel geht es in den Tango Liedern um Sex and Crime.
Eigentlich geht es um die Liebe, darum geht es in der Bibel auch. Aber es handelt immer auch von der gescheiterten Liebe.
Davon singt Jane Zahn auf Spanisch so atemberaubend schön, dass uns ganz warm ums Herz wird.
Denn Tröstung gibt es nicht nur durch äußere Fröhlichkeit.
Melancholisch sentimal beklagt Malena ihr Schicksal. Bei El Choccolo lassen Jane und der Saxophonist Claus Rosenfelder ihrem Ärger spanisch temperamentvoll freien Lauf – dem Publikum fehlte dazu nur eine Flamenco-Tanzeinlage.
Janes Stimme und Gestik waren uns in der Bergkirche aber Ersatz genug.
Wie klingt eigentlich Tango mit nur einer Frauenstimme und einem Blasinstrument mal Saxophon und mal Posaune?
Ungewohnt, fast nackt wirkt diese Musik im ersten Moment.
Nach Überwindung der ersten Schockstarre wegen der ungewohnten und ungehörten Instrumentierung stellt sich aber Nähe ein. Musikalische Nähe zu etwas Neuem, noch nie in dieser Form gehörten.
Ein langes und (unwiderstehliches – so Jane Zahn) Posaunensolo von Bernd Stang leitet über in die traurige Melodie von „Sur“.
Mehrfach lässt Michael Schneider an diesem Abend den Kontrabass und das Cello links liegen und greift zur Gitarre.
Ist er ein Tango Gitarrist?
Nein, aber er ist es an diesem Abend geworden denn die freie Improvisation hilft ihm musikalische Lücken im Geschehen tangenial aufzufüllen.
War Francesco Panarese an diesem Abend auch dabei ? Wir haben ihm schon einen Artikel gewidmet: „ohne mich läuft gar nichts“. Was bei unseren Proben zu den jeweils neuen Programmen noch etwas suchend daherkommt, das entpuppt sich dann im Konzert besonders bei Francesco als so vital und lebendig, so als könnte es gar nicht anders sein.
Das Nuevo des Nuevo geschah tatsächlich. an diesem Abend.
Können wir, Jane Zahn und arkestra convolt das überhaupt wissen?
Reichhaltiger und lang anhaltender Applaus im Publikum, viele Verbeugungen vor dem Altarraum von den Musikern.
Wir begeben uns in die Sakristei. Es gab auch aus dem Publikum Rosen, für Jane Zahn ein paar mehr.
Aufräumen folgt. Geht aber nicht.
Wieder sitzt das Publikum still in den Bänken und wartet. Gibt es ein größeres Kompliment als dies? Wenn das Publikum nach genau 90 Minuten Musik nicht glauben will, dass das Konzert nun beendet ist. Einmal mehr weiß arkestra convolt dass unser musikalischer Wagemut mit diesen begnadeten Musikern sich seinen eigenen richtigen Weg bahnt.
Und hier das erste Beweismittel zum Thema „Sex and Crime“,wir nennen es hier besser : wahre Geschichten.
Malena!
Malena singt den Tango wie keine andere. In jede Strophe legt sie ihr ganzes Herz.
Malena singt den Tango mit Schattenstimme, sie kennt das Bandoneon und seinen Schmerz. Ihre Tangos sind gespenstische Kreaturen, die sich in der Dämmerung auf die Gassen schleichen. Ihre Augen sind dunkel wie das Vergessen, ihre Lippen zusammengepresst in Bitterkeit. Ihre Hände sind zwei Tauben, die frieren, in ihren Adern fließt das Blut des Bandoneon. Ich weiß nicht, ob ihre Stimme die Frucht eines Schmerzes ist, ich weiß nur, wenn ich sie höre, dass sie besser ist als ich.